Klienteninformation 2019-03-01
BMF-Informationen zu steuerlichen Konsequenzen eines „ungeregelten Brexits“
Wie es mit dem Austrittsvorhaben des Vereinigten Königreichs nach der Ablehnung des „Austrittsabkommens“ durch das britische Parlament Mitte Jänner 2019 tatsächlich weitergeht, ist ungewiss. Generell sind folgende drei Szenarien möglich.
- Geregelter Austritt (deal) – planmäßiger Austritt per Ende März 2019 und Übergangsphase als „normaler“ EU-Mitgliedstaat bis Ende 2020,
- Verlängerung der Verhandlungsphase und Rücknahme des Austrittsgesuchs (basierend auf der EuGH-Rechtsprechung),
- Ungeregelter Brexit (no deal, harter Brexit).
Für den Fall eines ungeregelten Brexits wird das Vereinigte Königreich ohne Übergangsphase plangemäß per Ende März 2019 aus der EU austreten und ist dann mit sofortiger Wirkung als Drittstaat zu behandeln.
Da es bei einem harten Brexit zu weitreichenden steuerlichen und zollrechtlichen Konsequenzen für österreichische und britische Unternehmen kommt, hat das Bundesministerium für Finanzen Mitte Jänner 2019 auf seiner Webseite umfangreiche Informationen zu den Themen Ertragsteuern, Umsatzsteuern (und Zoll) sowie Auswirkungen auf Privatpersonen veröffentlicht (www.bmf.gv.at/top-themen/brexit.html) . Nachfolgend sind wesentliche Punkte dargestellt.
Ertragsteuerliche Konsequenzen
Die Fusionsrichtlinie, die Mutter-Tochter-Richtlinie oder auch die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie sind nach dem Brexit nicht mehr möglich; die damit zusammenhängenden Begünstigungen für Unternehmen fallen weg. Allerdings soll das neue DBA zwischen Österreich und Großbritannien kompensierend eine Quellensteuerbefreiung für Dividenden bei mindestens 10% Beteiligung und keine Quellensteuer für Lizenzgebühren vorsehen.
Im betrieblichen Bereich führt der Brexit im Rahmen der Wegzugsbesteuerung zur sofortigen Besteuerung anstelle einer Verteilung der Steuer über mehrere Raten. Ausgenommen davon sind den BMF-Informationen folgend jedoch Unternehmen, welche bereits vor dem Brexit in das Vereinigte Königreich weggezogen sind und die Nichtfestsetzung bzw. später die Ratenzahlung der Steuer beantragt haben. Der Brexit führt dann weder zur sofortigen Besteuerung noch zur sofortigen Fälligkeit offener Raten.
Wenn Privatpersonen nach dem Brexit in das Vereinigte Königreich ziehen, so ist der Wertzuwachs von Wirtschaftsgütern, an welchen das Besteuerungsrecht Österreichs aufgrund des Wegzugs eingeschränkt wird, im Sinne einer „Exit-Tax“ sofort zu besteuern (Aufschub bzw. Ratenzahlung sind nicht möglich). Vergleichbar dem betrieblichen Bereich stellt die BMF-Info klar, dass für vor dem Brexit bereits weggezogene Privatpersonen, welche damals die Nichtfestsetzung der Steuer beantragt haben, der Brexit nunmehr zu keiner sofortigen Besteuerung führt (sondern frühestens bei der tatsächlichen Veräußerung des betreffenden Wirtschaftsguts). Ebenso führt der Brexit zu keiner sofortigen Fälligstellung offener Raten, sofern eine Ratenzahlung der Steuer beantragt worden war – die BMF-Info geht hier einer (noch) gegenteiligen Aussage in den Einkommensteuerrichtlinien vor.
Schließlich gelten auch die Begünstigungen für Kinder wie z.B. Familienbonus Plus, Kinderabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag Kindermehrbetrag, Alleinverdiener- und/oder Alleinerzieherabsetzbetrag nach dem ungeregelten Brexit nicht mehr.
Umsatzsteuerliche Folgen
In Folge des ungeregelten Brexits wird das Vereinigte Königreich sofort zum Drittstaat (anstelle von Gemeinschaftsgebiet). Sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind, treten (echt steuerfreie) Ausfuhrlieferungen an die Stelle von (echt steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferungen. Bei Lieferungen aus dem Vereinigten Königreich kommt es anstelle des innergemeinschaftlichen Erwerbs grundsätzlich zum umsatzsteuerlichen Einfuhrtatbestand und zur Verlagerung des Lieferortes.
Während Dreiecksgeschäfte nach dem ungeregelten Brexit nur mehr eingeschränkt möglich sind, entfällt die Abgabe von Zusammenfassenden Meldungen zur Gänze. Die Leistungsortregelungen ändern sich in vielen Bereichen wie etwa bei den B2C Katalogleistungen. Überdies kann es nach dem Brexit für Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich erforderlich sein, einen Fiskalvertreter in Österreich zu bestellen.
Zollrecht
Ausgangspunkt bei einem harten Brexit ist, dass sämtliche im Vereinigten Königreich erteilte Bewilligungen für spezielle Zollverfahren ungültig werden und gegebenenfalls neu beantragt werden müssen. Da dann Handel mit einem Drittstaat betrieben wird, müssen sich Wirtschaftsbeteiligte unter Umständen in der EU bei den Zollbehörden registrieren (Vergabe eine EORI-Nummer etc.). Sofern eine Bewilligung zum „zugelassenen Versender bzw. Empfänger“ im Versandverfahren vorliegt (auch durch einen Spediteur möglich), können die Zollformalitäten beschleunigt und zum konkreten Bestimmungsort der betroffenen Warensendung verschoben werden.
Im privaten Reiseverkehr gelten die Freimengen und -grenzen wie gegenüber allen anderen Drittstaaten. Im Rahmen von Internetshopping und Versandhandel bleiben vorerst Sendungen aus dem Vereinigten Königreich mit einem Warenwert bis € 22 abgabenfrei. Bei höherem Warenwert müssen Umsatzsteuer und ab € 150 auch Zoll bezahlt werden.
Zinsschrankenregelung für Körperschaften auch in Österreich?
Bereits im Jahr 2016 wurde von der EU die sogenannte „Anti-BEPS Richtlinie“ (ebenso „Anti-Tax-Avoidance Directive“; ATAD) ins Leben gerufen. So sollen auf EU/OECD Ebene bestimmte Steuermissbrauchspraktiken bekämpft werden. In Österreich wurden im Sinne dieser Richtlinie bereits der neue Hinzurechnungsbesteuerungsparagraph §10a KStG sowie Änderungen beim Missbrauchstatbestand (§22 BAO) und bei der Wegzugsbesteuerung (§6 Z 6 EStG) in Angriff genommen.
Eine Vorgabe der EU, die sogenannte Zinsschrankenregelung, wurde vom österreichischen Gesetzgeber bislang noch nicht umgesetzt. Die Umsetzung hätte zwar bereits bis Ende 2018 in den Mitgliedstaaten erfolgen müssen, jedoch wurde jenen Mitgliedstaaten, die bereits wirksame Maßnahmen zur Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von überschießenden Fremdkapitalzinsen ergriffen haben, eine Übergangsfrist bis 1.1.2024 gewährt. Das BMF hat bisher die Meinung vertreten, dass aufgrund der nationalen Gesetzgebung wirksame Maßnahmen – insbesondere für Zinszahlungen an niedrigbesteuerte Konzerngesellschaften sowie für konzernintern erworbene fremdfinanzierte Beteiligungen – gegeben seien und für Österreich demnach die Übergangsfrist bis 1.1.2024 maßgeblich wäre. Gemäß Mitteilung der EU-Kommission vom 7. Dezember 2018 (2018 C 441/01) verfügen unter Berücksichtigung der rechtlichen Ähnlichkeit und wirtschaftlichen Gleichwertigkeit nur Frankreich, Griechenland, Slowakei, Slowenien und Spanien über gleichermaßen wirksame Maßnahmen, die auch auf Rentabilitätsfaktoren abstellen. Für den österreichischen Gesetzgeber ist also jedenfalls akuter Handlungsbedarf gegeben.
Gemäß der Richtlinie sollen bei Körperschaften „überschüssige Fremdkapitalkosten“ (Aufwandsüberhang) nur bis zu 30% des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) abzugsfähig sein. Im Ergebnis kann daher der Abzug von Fremdkapitalkosten ab einer bestimmten Höhe zumindest temporär versagt werden. Abweichend von dieser Generalnorm können Mitgliedstaaten aber wie folgt von dieser Grundregel abweichen:
- Abmilderung durch Rück- und Vortragsmöglichkeiten der überschüssigen Fremdkapitalzinsen
- Einschränkung durch Gruppenbildung
- Ausnahme durch eine Freigrenze (i.H.v. max. € 3 Mio)
- Ausnahme durch Stand-alone-Klausel (vollständiger Abzug für selbständige Unternehmen)
- Ausnahme durch Eigenkapital-Escape Klauseln
- Ausnahmen für Altdarlehen vor dem 17.6.2016, öffentliche Infrastrukturprojekte und Finanzunternehmen
Die Richtlinie hält also den Mitgliedstaaten für die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung eine gewisse Bandbreite sowie Wahlrechte offen, wodurch europaweit die Zinsschrankenregelung sehr unterschiedlich umgesetzt werden kann. Wie Österreich nun auf diese Mitteilung der EU-Kommission reagiert, ist noch unklar. Da vermutlich ein Vertragsverletzungsverfahren mit der EU-Kommission nicht riskiert werden soll, wird wohl früher oder später die Umsetzung vollzogen werden, wobei eine Rückwirkung verfassungsrechtlich problematisch sein dürfte. Es gilt daher schon jetzt, die möglichen Auswirkungen proaktiv abzuschätzen, um frühzeitig auf die geplanten Änderungen reagieren zu können.
Zusätzliche Anforderungen an beschränkt Steuerpflichtige bei der Rückerstattung von Quellensteuern
Kommt es im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht in Österreich nach nationalem Recht zu einem Quellensteuerabzug – etwa auf Lizenzgebühren – so ist es für die endgültige Steuerbelastung entscheidend, ob und wenn ja, in welcher Höhe Österreich nach dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen Quellensteuer einbehalten darf. Die reduzierte Quellensteuer kann im Sinne der DBA-Entlastungsverordnung im Vorfeld sichergestellt werden, indem nur jener Prozentsatz an Quellensteuer einbehalten und abgeführt wird, welcher Österreich nach dem DBA zusteht (Formular ZS-QU2 für juristische Personen).
Die andere Möglichkeit besteht darin, dass der beschränkt steuerpflichtige Zahlungsempfänger eine allfällige (nach nationalem Recht) zu hohe einbehaltene Quellensteuer im Wege der Rückerstattung in Österreich zurückfordert. Seit 1.1.2019 ist dieses Unterfangen mühsamer geworden, da nunmehr gem. § 240a BAO vor Stellung des Antrags auf die Rückerstattung von Quellensteuern (zusätzlich) eine elektronische Vorausmeldung (mittels Web-Formular auf der BMF-Webseite) durchgeführt werden muss. Zu beachten ist, dass die elektronische Vorausmeldung erst nach Ablauf des Jahres der Einbehaltung der Quellensteuer gestellt werden kann. Details und Voraussetzungen zur elektronischen Vorausmeldung sind Ende Jänner im Verordnungswege kundgemacht worden (Verordnung vom 25.1.2019 „Vorausmeldung im Verfahren zur Rückzahlung oder Erstattung österreichischer Einkommen- oder Körperschaftsteuer“).
Energieabgabenvergütung für Dienstleistungsbetriebe – Schlussanträge des Generalanwalts liegen vor
In den letzten Jahren haben wir regelmäßig über Stand der anhängigen Verfahren bezüglich des Anspruchs von Dienstleistungsbetrieben auf die Rückvergütung von bezahlten Energieabgaben berichtet. Bekanntermaßen wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BBG 2011) der Anspruch von Dienstleistungsbetrieben ausgeschlossen und die Rückvergütung auf Produktionsbetriebe eingeschränkt. Fraglich ist dabei, ob diese Einschränkung zulässig ist. Dabei spielen auch europarechtliche Aspekte eine große Rolle, weil die eingangs angesprochene Gesetzesänderung eine Genehmigung durch die Europäische Kommission vorsieht. Unklar ist dabei, seit wann eine solche Genehmigung vorliegt.
Der VwGH hat mit Entscheidung vom 14.9.2017 beschlossen, das in der Sache maßgebliche Verfahren (Dilly´s Wellnesshotel) auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zu den diesbezüglichen europarechtlichen Fragen liegen nunmehr seit Mitte Februar 2019 die Schlussanträge des Generalanwalts vor. Der Generalanwalt geht dabei davon aus, dass die Änderung der Beilhilferegelung im BBG 2011, welche eine Einschränkung der Vergütung für Produktionsbetriebe vorsieht, nach der Verordnung 2014/651 (Gruppenfreistellungsverordnung) rückwirkend von der Anmeldepflicht freizustellen ist. Darüber hinaus entspricht nach Ansicht des Generalanwaltes die Berechnungsformel der Energieabgabenvergütung den Anforderungen der Verordnung.
In der weitaus überwiegenden Anzahl der Verfahren folgt der EuGH der Sichtweise des Generalanwaltes. Wenn dies auch hier der Fall sein sollte, würde die Vergütung für Dienstleistungsbetriebe ab 2011 tatsächlich entfallen. Wir werden Sie informieren, wenn die endgültige EuGH-Entscheidung vorliegt.
Später Entschluss zum gewerblichen Grundstückshandel reicht laut BFG aus
Ob Immobilienveräußerungen als gewerblicher Grundstückshandel eingeordnet werden oder aus dem Privatvermögen heraus erzielt werden, bringt unterschiedliche steuerliche Konsequenzen mit sich – nicht zuletzt die Möglichkeit der Geltendmachung der Herstellerbefreiung würde im Rahmen des gewerblichen Grundstückshandels ins Leere laufen. Die Herstellerbefreiung führt zur Befreiung von Gewinnen aus der Veräußerung eines selbsthergestellten Gebäudes im Rahmen der Immobilienertragsteuer; der Grund und Boden bleibt steuerpflichtig sofern nicht auch die Voraussetzungen für die Hauptwohnsitzbefreiung vorliegen.
Das BFG hatte sich (GZ RV/1100486/2016 vom 11.6.2018) mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzen, in dem auf einer Liegenschaft, welche ursprünglich mit der Absicht, eine Grundreserve für sich und die eigenen Kinder schaffen zu wollen, zehn Jahre später mehrere Eigentumswohnungen errichtet und an Dritte veräußert wurden. Im Zuge der Errichtung der Eigentumswohnungen war von den beiden Liegenschaftseigentümern zwecks Projektabwicklung und auch aus Haftungsüberlegungen eine „Wohnbau-GmbH“ gegründet worden. Die beiden natürlichen Personen – zugleich Gesellschafter der Wohnbau-GmbH – blieben die Eigentümer der Wohnungen und waren der Ansicht, dass der Verkauf der Wohnungen aus ihrem Privatvermögen heraus erfolgte. Die Herstellerbefreiung sei daher anzuwenden, nicht zuletzt deshalb, da die beiden Liegenschaftseigentümer in sämtlichen Kaufverträgen mit den Wohnungskäufern als Verkäufer genannt waren.
Bei der Abgrenzung zwischen gewerblichem Grundstückshandel einerseits und Vermögensverwaltung andererseits, sprechen im vorliegenden Fall folgende Aspekte grundsätzlich für den gewerblichen Grundstückshandel. Generell ist ein Gewerbebetrieb durch eine nachhaltige, mit Gewinnabsicht unternommene, als Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr darstellende Tätigkeit gekennzeichnet.
- Erfolgreiches Bemühen um Erteilung einer Baubewilligung
- Errichtung der Wohnbau-GmbH als Bauträger GmbH
- Erstellung eines Nutzwertgutachtens mit anschließender Parifizierung und daraus resultierende, zusätzliche wertsteigernde Maßnahmen
- planmäßiger gezielter Verkauf der einzelnen Wohnungseigentumseinheiten (konkret 11 Wohnungen innerhalb etwas weniger als einem halben Jahr)
- Bewerbung der Wohnungen auf einer eigens eingerichteten Homepage (inklusive Details zu Lage, Baufortschritt, Bauqualität etc.)
Mit Verweis auf ältere Rechtsprechung betonte das BFG, dass die Veräußerung von Grundstücken aus dem Privatvermögen dann keine Vermögensverwaltung mehr ist, sondern gewerblichen Grundstückshandel darstellt, wenn die Vermögensverwertung anstelle der Vermögensnutzung in den Vordergrund tritt. Dabei muss auch auf die Besonderheiten von (bebauten) Grundstücken Rücksicht genommen werden – etwa die Notwendigkeit einer Mehrjahresbetrachtung, da Grundstücke typischerweise nur unregelmäßig und in einer geringen Zahl von Fällen erworben und wieder abgesetzt werden.
Im konkreten Fall ist vollumfänglich steuerpflichtiger gewerblicher Grundstückshandel bei den beiden natürlichen Personen auch dann gegeben, wenn der Wille zum planmäßigen Abverkauf erst nach der Errichtung der Wohnungen entstanden ist. Dem BFG folgend ist es nämlich für gewerblichen Grundstückshandel nicht notwendig, dass die Veräußerungsabsicht bereits im Zeitpunkt der Anschaffung bzw. im Zeitpunkt der Bebauung des Grundstücks vorhanden ist. Der Umstand, dass im Zeitpunkt der Bebauung zwei Wohnblöcke mit insgesamt 14 Wohnungen sowie Garagen- und Abstellplätzen errichtet werden sollten, spricht überdies gegen eine Eigennutzung durch die beiden Liegenschaftseigentümer und folglich für gewerblichen Grundstückshandel.